Signale in die Welt
Eine Funkanlage als UNESCO Welterbe? Hm, als ich ganz zu Beginn meines Projektes die Welterbestätten überflogen habe, gehörte #Grimeton in die Kategorie „klingt nicht so spannend.“ Inzwischen weiß ich aber: Wo Welterbe draufsteht, ist immer etwas Spannendes drin! Deshalb war ich auch sehr erfreut, als eine Freundin, die ich in Schweden besuchte, vorschlug, sich die Anlage anzuschauen. Mein erstes Auslands-Welterbe! Und natürlich hat es sich wieder bewahrheitet: Staunen & Lernen!

Ein Wald aus Sendemasten
Es ist unübersehbar, dass wir uns der Sendeanlage nähern: Ein Sendemast reiht sich hinter den anderen. Grimeton liegt an der schwedischen Westküste. 2004, 80 Jahre nach ihrer Gründung, wurde die Station zum #Weltkulturerbe ernannt, als „bester Ort, um die Entwicklung der drahtlosen Kommunikation zu erleben und zu verstehen“. Die Älteren unter uns erinnern sich sicher an die Zeit, als wir uns noch mit Morsezeichen verständigten. Ok, zumindest ist uns das Morsen schon mal in dem einen oder anderen Zusammenhang begegnet, vor allem das berühmte SOS: dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz ( · · · — — — · · · ). Es rettete Seefahrer aus der Not, in Krimis machten Opfer, die wahlweise in Verliesen, Schränken, Gruben oder sonstigen ungemütlichen Orten gefangengehalten wurden, damit auf sich aufmerksam. Es gab immer jemanden, der das rhythmische Signal erkannte. Erstmalig wurde SOS 1909 gemorst: Der Passagierdampfer „RMS Slavonia“, war auf Grund gelaufen. Hilfe kam und alle Menschen an Bord wurden gerettet.
Grimeton hat den weltweit einzigen noch funktionierenden Alexanderson-Sender, einen Langwellen-Sender. Genauer: Längstwellen-Sender. Als er 1924 fertiggestellt wurde, war er tatsächlich einer von vielen Sendern zur Übertragung von Textnachrichten, die überall auf der Welt entstanden. Die Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Technologie revolutionierte die Kommunikation. Eine rasante technische Weiterentwicklung führte bald zur Nutzung der effizienteren Kurzwellensender. Doch auch die beiden ursprünglichen RCA-Langwellensender blieben in Betrieb, zum einen als Backup, vor allem aber, weil ihre Eigenschaften die Funkübertragung zu U-Booten unter Wasser ermöglichten, was bis zum Ende des Kalten Krieges genutzt wurde.
So revolutionär wie das Handy
Heute schicken wir ganz selbstverständlich Nachrichten und Bilder um die ganze Welt – in Sekunden. Die Erfindung der Telegrafie war damals ein riesiger Entwicklungssprung. Unvorstellbar für uns, auf Boten angewiesen zu sein, die unsere Nachrichten zu Fuß oder mit dem Pferd transportierten oder sie per Kutsche oder Schiff in fernere Gegenden zu schicken, so dass sie Tage und Monate unterwegs waren. Nun war es möglich, Botschaften schnell über große Entfernungen zu übermitteln. Das verdanken wir dem amerikanischen Erfinder Samuel Morse, der 1837 den elektromagnetischen Telegrafen entwickelte. Damit konnten Nachrichten mittels elektrischer Signale gesendet werden, die auf einem Papierstreifen aufgezeichnet wurden. Wo wir heute einfach den Text in unsere Handys tippen, wurden die Mitteilungen damals in einem Code verschlüsselt, der aus kurzen und langen Signalen bestand – der berühmte Morse-Code. Morse arbeitet anfangs nur mit Zahlen, die dann beim Empfänger in Buchstaben übersetzt wurden. Den Code mit Buchstaben, den wir eigentlich als Morse-Code kennen, entwickelte ein Mitarbeiter von ihm rund ein Jahr später: Alfred Lewis Vail. Gesendet wurden die Nachrichten zu Beginn nur mittels Kabel, es entstanden überall Telegrafenmasten mit den entsprechenden Leitungen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts telegrafierte man dann drahtlos über Funk.
In die Ferne schreiben

Im Ersten Weltkrieg hatte Schweden die Erfahrung gemacht, wie schwer es mit den vorhandenen Technologien war, den Kontakt zur Außenwelt über weite Entfernungen aufrechtzuerhalten. Internationale Telegramme wurden meist per Kabel übermittelt, die anfällig und teuer waren, Funken ging in Schweden nur über kürzere Distanzen. Eine Lösung musste her, vor allem eine transatlantische Verbindung, und die hieß Grimeton. Man entschied sich für das System der Radio Corporation of America (RCA). Dahinter stand der gebürtige Schwede Ernst Alexanderson – das beeinflusste sicher die Entscheidung. Auch der Standort an der Westküste war klar: Hier gab es die kürzeste Entfernung zu den USA und das Signal konnte Norwegen, Dänemark und Schottland umgehen. Am 1. Dezember 1924 wurde erstmals von Grimeton aus über den Atlantik gesendet und die Station wickelte schnell 95 % des schwedischen Telegrammverkehrs in die USA ab. Nach durchschnittlich nur 17 Minuten traf ein normales Telegramm aus Schweden bei RCA in New York ein.
Ich will doch nur spielen…
Moderne Museen haben nichts mehr gemein mit dem langweiligen Vorbeimaschieren an staubigen Vitrinen oder endlosen Bildergalerien. Heute geht es darum, Kunst und Kultur erlebbar zu machen. So ist es auch bei allen bisher besuchten Welterbestätten: Es gibt multimediale Möglichkeiten, sich mit Kunst, Architektur oder wie hier in Grimeton, Technik, zu beschäftigen. So wird die Anlage auch für weniger an Technik Interessierte spannend. Zum Beispiel beim Thema Frequenzen: An dem eingebauten Gerät gibt es Auswahlmöglichkeiten für die verschiedenen Frequenzen, auf denen in unserer Umwelt kommuniziert wird: Von der Fledermaus bis zum Saturn.

Telegrafieren ausprobieren? An einem Pult kann man selbst ein Telegram erfassen, abschicken und anschließend ausdrucken. Allerdings nicht so ganz mühsam mit dem Morseapparat, sondern per Display.

Die Maschinenhalle: Und das alles geht heute per Handy…
Ich bin grundsätzlich von Technik fasziniert und beim Anblick alter Technologien kommt immer das Staunen über die Leistungen der damaligen Zeit hinzu. Hier ist Technik eigentlich viel greifbarer, als in unseren modernen minimalisierten Geräten. Vieles wird sichtbar, was heute im verborgenen Kleinstformat für uns arbeitet.



Und wozu ist der riesige Elektromagnet da? Schau’n mer mal:
In der Maschinenhalle stehen auch die modernen Varianten der Sender: deutlich kleiner und lange nicht so dekorativ.



Die Größe ist gar nicht so unterschiedlich, wohl aber die Schnelligkeit der Kommunikation: Vom Ericsson Morseapparat aus dem späten 19. Jahrhundert zum transportablen Telefon 1955. Heute versteht man unter einem transportablen Telefon natürlich etwas viel kleineres.



Schon mal eine Sendeanlage bedient? Über den Touchscreen konnten wir das ausprobieren und dabei erfahren, welche Komponenten der Alexanderson-Transmitter hat. Allerdings hatte das Ding wohl ein kleines Problem – ab einem bestimmten Punkt ging es leider nicht mehr weiter. Wir haben noch andere Besucher bei dem verzweifelten Versuch beobachtet, die Maschine virtuell zu starten.

Sauberkeit muss sein: Staub war ein gefährlicher Feind der Anlagen, das passende Gegenmittel wurde täglich eingesetzt.


Da ist noch Luft nach oben: Arbeitsschutz & andere Arbeitskleidung
In der Grimeton-Station gab es strenge Bekleidungsvorschriften: Die Angestellten trugen eine Uniform (links). Zum Schutz gab es den grauen Mantel, Spitzname „Brei-Mantel“. Schutzkleidung für die Arbeiter gab es auch, allerdings anfangs erstmal ohne Gehörschutz, obwohl die Anlage im Betrieb sehr laut war.


Spannende Technik – es hat sich gelohnt!
































