Magische Zahlen, Goldschätze und beeindruckende Kirchen
Zu Beginn ein Geheimtipp für bequemes Reisen mit der Bahn: Fahrt zum richtigen Bahnhof! Ich stand am frühen Samstagmorgen am Frankfurter Hauptbahnhof und musste feststellen, das Lesen doch hilfreich sein kann. Er fuhr nämlich von Frankfurt Süd ab… Dann wurde es spannend: Es gab einen anderen ICE, der meinen ursprünglichen in Fulda noch einholen konnte! Wenn die Bahn pünktlich war. Was soll ich sagen: Mein Verfolger-Zug kam sogar drei Minuten zu früh an und ich war wieder in der Spur.
In #Hildesheim fand am 1. Juni die zentrale Veranstaltung zum #UNESCO #Welterbetag statt. Klar, dass ich mir diesen Tag für meinen Besuch aussuchte. Erstes Gefühl, als ich gegen 11 Uhr vor dem berühmten #Mariendom eintraf: Mitleid mit den Veranstaltern. Kaum jemand zu sehen, nichts los an den Ständen. Das gleiche Bild vor der #Michaeliskirche, wo andere Welterbestätten ihre Stände aufgebaut hatten. Glücklicherweise sollte das eine Stunde später schon ganz anders aussehen!

Die Magie der Zahlen – ganz christlich umgesetzt
Meine gebuchte Führung begann in St. Michaelis. Architektonisch könnte der Gegensatz zur prunkvollen, goldgespickten überladenen Residenz in Würzburg letzte Woche nicht größer sein. Kein Wunder: Wir stehen in einem rund 1.000 Jahre alten romanischen Gebäude. Wie wir später erfahren, sind noch rund 40% der originalen Bausubstanz aus dieser Zeit erhalten, die Kirche wurde im zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Die Architektur strahlt eine große Ruhe aus, die mich sehr anspricht. Alles ist auf Harmonie ausgerichtet und das steht einer Kirche als Ort der Besinnung sehr gut.

Bernward war offenbar ein Perfektionist und begeistert von Zahlensymbolik: Der Grundriss besteht aus 3 x 3 Quadraten (die Drei steht für die göttliche Dreieinigkeit) Es gibt neun Altäre, acht davon auf den Emporen, die wiederum zwölf Bögen haben.

Das Mittelschiff wird von zwölf Säulen getragen – Bezug auf die zwölf Apostel. Zwei davon sind noch komplett Originale.

Gerade diese einfache, gradlinige Gestaltung setzt die spektakuläre Decke perfekt in Szene. Sie stammt allerdings aus dem 13. Jahrhundert. Sie zeigt in überaus dekorativer Malerei unter anderem den Stammbaum Christi, die Propheten und die Paradiesflüsse. Damit der interessierte Besucher keine Genickstarre bekommt beim Betrachten der vielen Details, ist im Gang ein großer vertikaler Spiegel platziert, in dem man die Decke bequem studieren kann.

Bei der Führung dreht sich alles um Bischof Bernward, der an dieser Stelle ein Benediktinerkloster gründete. Wie wir schon im Kloster Lorsch gelernt hatten, helfen Reliquien sehr, ein Kloster bekannt zu machen. Auch Bernward hatte ein Splitter aus dem Kreuz Jesu zu seiner Bischofsweihe bekommen. Das #Bernward-Kreuz, in dem dieser Splitter aufbewahrt wird, sehen wir später noch im Dommuseum.
Ich hatte im Kopf, irgendjemand hätte mal alle angeblichen Kreuzsplitter zusammengerechnet und wäre darauf gekommen, dass diese Menge für drei Kreuze ausgereicht hätte. Fake-News! Laut Internet geht diese Aussage wahlweise sogar auf Luther oder Calvin zurück. Mittlerweile ist das wohl wissenschaftlich untersucht worden und man konnte die Reliquien nur auf einen Bruchteil der vermuteten Kreuz-Masse addieren.
Die Kirche ist übrigens interessanterweise sowohl evangelisch – die eigentliche Kirche -, als auch katholisch: Die Krypta, in der auch Bischof Bernward begraben liegt.

Die XXXL-Varianten: Tür, Leuchter und sehr, sehr viel Gold

Wir betreten den #Marien-Dom durch einen Seiteneingang, um das erste XXXL-Kunstwerk in seiner beeindruckenden Pracht zu bewundern: Die Bernward-Tür. Erstes Superlativ: Sie ist 4,72m hoch. Das zweite: Die beiden Flügel wurden jeweils aus einem Stück aus Bronze gegossen – im Jahr 1015 eine absolute handwerkliche Meisterleistung. Verziert ist sie mit sehr plastischen Szenen aus dem alten und neuen Testament.

Auch im Dom bietet die romanische Architektur des Baus aus dem 11 Jahrhundert den zurückhaltenden Rahmen für die Kunstschätze. Die nächsten XXXL-Kunstwerke hängen im Dom ab: Der Hezilo-Leuchter, sechs Meter Durchmesser, mit 72 Kerzen versehen. Auch wenn der Stifter nicht Bernward ist sondern vermutlich sein Nachfolger, Bischof Herzilo, kommen hier ebenfalls bedeutungsvolle Zahlen ins Spiel. Die Gestaltung symbolisiert die Stadtmauer des himmlischen Jerusalems mit zwölf Toren. Weitere großformatige Radleuchter schmücken das Kirchenschiff.

Ein wahre Schatzkammer – Gold wohin man schaut
Ich war noch nie in einem Dom-Museum, vielleicht sind sie ja alle solche Schatzkammern. Was immer ich erwartet hatte – vielleicht alte Bücher, sakrale Objekte, ein wenig Gold – die Realität entlockte mir ein ziemlich lautes „Wow“: Gold, Diamanten, Edelsteine, noch mehr Gold. Die Kombination von Geld und Glaube hat, wie so oft, die Gestaltung unglaublicher Kunstwerke ermöglicht.


Die goldene Madonna aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts wird dem künstlerischen Zeitgeist angepasst – allerdings nur was die Gestaltung der abnehmbaren Körperteile Köpfe und Hand angeht. Das Kreuz ist der eingangs erwähnte Reliquienschrein mit dem Holzsplitter.

Der Name der Rose? Keine Ahnung – aber sie ist legendär.
Eigentlich ist sie eine recht unspektakuläre Pflanze: Die Hundsrose. Keine großen Blüten-Kunstwerke, sondern recht schlichte Exemplare. Doch der riesige Rosenstock im Innehof des Domes ist über tausend Jahre alt und natürlich sagenumwoben. Es gibt zwei Versionen der Legende.
Genau kann man das Alter des Strauches nicht bestimmen. Die Hundsrose hat jedoch die Fähigkeit zur Erneuerung durch unterirdische Sprossen, ohne dass sich dadurch die Erbanlagen verändern. So ist es immer noch der gleiche Strauch, der Feuer, Kriege und Dürren überstand. Die Blütezeit ist nur kurz – ich war gerade zur richtigen Zeit da.


































