Ampel mit Wikingerfigur

32. Haithabu + Danewerk

Wikinger auf der Jagd nach Verkehrssündern?

Das nenne ich mal ein stimmiges Gesamtkonzept: Selbst die Ampel am Zebrastreifen bei Haithabu zeigt Wikinger! Normalerweise verbindet man ja das Angenehme mit dem Nützlichen – ich habe das Angenehme mit dem Angenehmen verbunden: Besuch bei einer Freundin in Flensburg und das Erkunden des Welterbes Wikingersiedlung und Handelsplatz Haithabu und Grenzbauwerk Danewerk. Hier haben im 9. und 10. Jahrhundert etwa 2.000 Menschen gelebt. Haithabu war der bedeutenste Knotenpunkt für den Fernhandel. Für die Wissenschaft ist das Areal eine Fundgrube für Erkenntnisse nicht nur über die Wikinger, sondern über die Wirtschaft ihrer Zeit generell. Anzahl und Qualität der archäologischen Funde qualifizierten Haithabu und das Danewerk letztendlich als UNESCO Welterbe.

Das Winkingerdorf mit Shopping-Mall
Wikingerdorf
Dekoration an einem Wikingerhaus

Sieben Häuser wurden streng nach den Erkenntnissen der archäologischen Ausgrabungen rekonstruiert. Man kann einige auch von innen ansehen und sich zum Beispiel im Haus eines Tuchhändlers umschauen.

Haus des Schuhmachers
Das Haus des Tuchhändlers
Boot vor dem Haus des Schuhmachers

Wenn man in den dunklen Gebäuden steht, fühlt man sich wirklich in die Zeit versetzt und die Vielfalt der Handwerke ist beeindruckend. Unser Blick durch das Fenster ins Haus des Schuhmachers war fast wie eine Shoppingtour in heutiger Zeit: Das braune Modell mit der Stickerei, das vorne leicht schräg steht, hätte ich gerne an meinen Füssen gesehen.

Blick in des Haus des Schuhmachers

In der Siedlung dreht sich alles um den Handel. Die Wikinger haben sich eine clevere Stelle ausgesucht: Zwischen dem Ostseearm Schlei und der Nordsee-Niederung. Damit befand sich die Siedlung im Zentrum der Handelswege zwischen Nord- und Westeuropa.

Mit den Wikinger verbinden wir eher das Bild eines beilschwingenden wilden Kriegers, gerne grausam und blutrünstig. Aber sie waren auch erfolgreiche Händler mit einem Hang zu Luxusgütern: Sie exportierten Pelze, Fisch, Wachs, Daunen, Honig und Sklaven. Mit dem Erlös kauften sie Seide, Brokat, Wein und Edelmetalle. Im Museum auf dem Gelände kann man viele Exponate bestaunen, die wiedermal zeigen, dass Schönheit zu allen Zeiten die Menschen berührte.

Wikinger-Schmuckstück

Räuberische Krieger waren sie natürlich trotzdem. Ihre Raubzüge führten sie bis nach England, Frankreich, Russlands und Usbekistan, durch das die legendäre Seidenstraße führte. Statt Plünderungen verlegten sie sich im 9. Jahrhundert auf Erpressung: Die Bevölkerung blieb verschont, wenn sie Lösegeld bezahlte. Als Krieger und Eroberer waren sie ganz schön erfolgreich: Ab 1013 herrschte der Wikingerkönig Knut der Große über Dänemark, England, Norwegen und Schweden.

Königliches Schwert
Königliches Schwert

Im Ausstellungsgebäude ist ein rekonstruiertes königliches Schiff zu sehen. Das „Wrack 1“ wurde um 982 gebaut und ist 31m lang. Harald Blauzahn, der große Einiger Dänemarks, soll mit diesem Schiff gesegelt sein. Ein kleines Manko der Ausstellung ist nicht nur hier für mich die Qualität der nachgebildeten Figuren – sie sehen sehr künstlich aus.

Wikingerschiff "Wrack 1"
Runenlesen für Anfänger

Sehr coole Installation ist der Runenstein mit Übersetzung in Deutsch, Englisch und Dänisch. Allerdings: etwas Mitleid habe ich mit den Museumsmitarbeitern, die das den ganzen Tag immer wieder hören müssen…

Danewerk unD die Verirrung

Haithabu wurde im 10. Jahrhundert Teil des Verteidigungssystems Danewerk, mit dem die Wikinger das Grenzland und die Landbrücke zwischen Nord- und Ostsee kontrollierten. Das Danewerk besteht aus Mauern, Wällen und Feuchtgebieten und verlief quer durch das heutige Schleswig-Holstein. Vor rund 1500 Jahren errichtet, sollte es die Halbinsel Jütland vor Eindringlingen zu schützen. Heute sind immer noch 80 Prozent seiner Gesamtlänge zwischen Hollingstedt und Haithabu erhalten. Mehr dazu.

Der Weg vom Ausstellungsgebäude zum Wikingerdorf sollte ungefähr 1 km sein. Wir sind dem Wall gefolgt und haben einen schönen Spaziergang mit Blick auf die Schlei gemacht. Nach einer guten halben Stunde wurde uns allerdings klar, dass wir offenbar NICHT mehr auf dem Weg zum Dorf waren. Glücklicherweise war die Abzweigung, die wir verpasst hatten, nur ein paar hundert Meter entfernt und während uns vorher niemand mehr begegnet war, hatten wir jetzt reichlich „Gegenverkehr“, klares Anzeichen für den richtigen Weg.

Wer hat’s erfunden?

Vor einigen Jahren trat mit Skyr ein neues Milchprodukt seinen Siegeszug in die Mägen der westliche Welt an. Aus der Werbung erfuhren wir, dass wir mit einer ordentlichen Portion des Quarks in der Lage sind, fröhlich im eiskalten Wasser zu baden. Arla-Werbespot 2017. Neu? Ihr habt es schon geahnt: Die Wikinger haben ihn bereits vor mehr als 1000 Jahren erfunden. Da er durch Fermentation hergestellt wird, war er lange haltbar und konnte auch auf Reisen mitgenommen werden. Ein Stein mit dem eingeritzten Ur-Skyr-Rezept als Runen wurde leider bislang nicht gefunden. Wenn Ihr den suchen wollt – hier sind zwei Varianten, wie das Wort SKYR in Runenschrift aussehen könnte.

Skyr als Runenschrift
Skyr als Runenschrift

Auch dem für seine Entdeckung Amerikas berühmten Christoph Columbus sind die Wikinger zuvorgekommen. Als die besten Seefahrer und geniale Schiffsbauer ihrer Zeit, waren sie bereits um 1000 n. Chr. nach Nordamerika vorgestoßen.

Bild Leif Eriksson

Wer war doch gleich Kolumbus? So um 1021 segelte Leif Eriksson nach Nordamerika. Ob er tatsächlich der erste Wikinger dort war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Doch die zahlreichen Sagen von Wikingerfahrten nach Nordamerika konnten mittlerweile wissenschaftlich bestätigt werden. Holzstücke, die eindeutig in Europa bearbeitet wurden, konnten mit der Radiocarbonmethode auf das Jahr 1021 datiert werden. Normalerweise erlaubt diese Methode keine jahresgenaue Datierung. Im Jahr 992 ereignete sich aber ein massiver Sonnensturm, der Radiokarbonspuren in den Jahresringen der Bäume hinterließ.

Foto: Pixaby, Patricia van den Berg

Sanfte Niederlage durch das CHristentum

Das Ende der Erfolgsgeschichte begann durch die Begegnung mit dem Christentum auf den vielen Reisen der Wikinger. Schon 849 durfte der Erzbischof Ansgar von Hamburg in Haithabu die erste christliche Kirche erbauen. Weniger aus religiöser Überzeugung als aus pragmatischen Erwägungen – das Christentum war mächtig, reich und bot lukrative Handelsbeziehungen – übernahmen sie nach und nach diese Religion. Offiziell wurde das Christentum 965 Staatsreligion in Dänemark – dank Bluetooth. Oder besser: Harald Blauzahn, der Dänemark erstmals einte. Der Glaube an die nordischen Götter, das Ideal, im Kampf zu sterben und nach Walhalla aufzusteigen, verschwand. Und das damit verbundene Wirtschafts- und Sozialsystem passte sich den christlichen Werten an.

Bluetooth-Symbol

Der Name Bluetooth und das dafür verwendete Symbol ist tatsächlich eine Hommage an den Dänenkönig. Das Logo zeigt die Initialen HB in Form der Runen Hagalaz und Berkano.

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