25. Die Residenz Würzburg

Zuviel des Guten?

Tja, Barock… Ich kann eigentlich jeder kunsthistorischen Epoche etwas abgewinnen, mal mehr, mal weniger, aber irgendetwas spricht mich immer an. Bis auf den Barock: Ich fühle mich erschlagen von der Opulenz, dem inflationären Gebrauch von Stuck und Gold, der Unruhe in jeder Ecke. Und jetzt: Die Residenz Würzburg, in das UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen als außergewöhnliches barockes Gesamtkunstwerk.

Die Residenz bestätigt all meine Erwartungen – und doch werde ich auch hier überrascht. Es gibt faszinierende Orte und Superlative zu entdecken. Es sind Geschichten versteckt – skurrile, bewegende und überraschende.

Seltsame Wesen im größten Deckenfresko der Welt

Der berühmteste Ort in der Residenz eröffnet sich gleich zu Beginn: Das Treppenhaus. Es hat mit 677m² das größte zusammenhängende Deckenfresko der Welt. Der berühmte Maler Tiepolo erzählt von den Entdeckungen ferner Länder, die die Menschen der damaligen Zeit faszinierten. Auf jeder Seite sind Szenen aus einem anderen Kontinent zu sehen: Asien, Afrika, Amerika und Europa. Mitte des 18. Jahrhunderts, als das Fresko geschaffen wurde, unternahmen nur wenige Menschen weite Reisen. Und so griff der Meister des Pinsels in vielen Details auf eine Vorstellung von den Tieren zurück, von denen die Reisenden berichtet hatten. Realistische bildliche Darstellungen brachten sie selten mit. Schauen wir uns mal diese beiden an…

Schwarzenegger-Strauß
Ein Strauß namens Schwarzenegger
Elefant mit Schweinerüssel
Mehr Ohr als Elefant mit Schweineschnauze

Alles an der Residenz war darauf angelegt, zu beeindrucken. In dem Deckengemälde im Treppenhaus findet sich deshalb natürlich auch der Auftraggeber und Besitzer der Residenz, Fürstbischof Carl Phillip von Greiffenclau an prominenter Stelle im Europateil. Man könnte sich das Fresko vermutlich stundenlang ansehen, sofern die Nackenmuskeln das mitmachen und würde immer noch neue Details entdecken. Faszinierend finde ich die Verbindung von Malerei und dreidimensionalen „Accessoires“: Da hängt das eine oder andere aus Gips gestaltete Bein aus dem Gemälde, ein Speer ragt in den Raum.

Stuck, noch mehr Stuck und ein unglaubliches Tuch

Der Weiße Saal ist überraschenderweise – weiß. Und wo der Blick hinfällt: Stuck. So sehr mir das ganze Geschnörkel eigentlich gegen den Strich geht, die Handwerkskunst ist einfach beeindruckend. Besonders verblüfft mich ein Detail: gemusterte Tücher, die so echt aussehen, dass ich sie anfassen möchte, um mich zu überzeugen, dass sie wirklich aus Gips sind.

Stuckdecke
Kaisersaal mit FakeS

Wie bereits erwähnt, Bescheidenheit war kein hohes Gut bei Fürstens in jener Zeit. Im Kaisersaal findet sich ein Deckengemälde, dass die Hochzeit Kaiser Friedrich I. Barbarossas 1156 darstellt . Der Bischof, der sie traut, trägt allerdings die Gesichtszüge des Auftraggebers Carl Phillip von Greiffenclau – der 500 Jahre später gelebt hat. In dieser Rolle taucht der Fürst auch noch an einigen anderen Stellen auf.

Kaisersaal Decke
Der bescheidene Kaisersaal
Kaisersaal Hochzeit
Hochzeit mit Fake-Bischof

Apropos Angeberei: Unser Führer hat uns eine Story über Napoleon Bonaparte erzählt, allerdings ohne Gewähr für die Wahrheit. Die Gäste der Residenz sollten sich damals selbstverständlich nicht ihre kostbaren Seidenschuhe dreckig oder gar nass machen. Deshalb fuhr man mit den Kutschen durch große Tore direkt ins Gebäude. Napoleon nun, um seine Stellung zu unterstreichen, hatte eine Kutsche mit acht Pferden. Die jedoch kam aufgrund ihrer Länge nicht um die Kurve, um die Eingangshalle wieder zu verlassen. Also musste die Kutsche rückwärts wieder raus und der Kaiser war gezwungen, die Residenz zu Fuss zu betreten. Quelle dommage!

Toreinfahrt

Für des Kaisers Besuch wurde natürlich eigens ein Schlafzimmer errichtet.

Napoleons Schlafzimmer
Wie heißt dieser Raum wohl?

„Der Raum der Eitelkeiten“? oder „Influencers Paradies“?

Spiegelsaal

Ich habe mal ChatGPT gefragt, welche kreativen Nutzungsmöglichkeiten es für einen Raum mit Spiegeln geben könnte. Eine der Empfehlungen für einen Sketch: „Die Eitelkeitstherapie“. Eine super eitle Figur (z.B. Influenzer :-) wird zur Spiegeltherapie geschickt – sie muss in einem Raum voller Spiegel sitzen, um endlich zur Ruhe zu kommen. Stattdessen wird er/sie komplett irre, spricht mit den Spiegelbildern, macht Selfies von Selfies, bewundert sich stundenlang.

Spiegel im Spiegel
Spiegelsaal Decke
Die 14 Sultane

In der Staatsgalerie-Außenstelle, die Teil der Residenz ist, finden sich unter anderem diese Herren: Osmanische Sultane. Die osmanische Kultur und ihre Protagonisten interessierten die Menschen in der Barockzeit sehr, entsprechende Bilder finden sich in vielen Sammlungen.

Galerie Osmanische Sultane
Mir gefällt der zweite von unten rechts am besten, Sultan Orcane (Orhan) II – er schaut so richtig keck

Im Anschluss an die Staatsgalerie komme ich in den überraschendsten Raum der Residenz, der mich in seiner Schlichtheit sofort anspricht: Es ist das frühere Operntheater, der jetzt „Nordoval-Galeriesaal“ genannt wird. Er wurde 1744 gebaut, diente kurz als Theater, Anfang des 19. Jahrhunderts stand hier auch mal ein Karussell für die Kinder des späteren Königs Ludwig I.

Galeriesaal
Hinten wird’s erst richtig herrschaftlich

Der Hofgarten wurde bei der UNESCO-Anerkennung ausdrücklich ebenfalls mit einbezogen. Die Vorderansicht wird durch den große Parkplatz etwas beeinträchtigt, hinten sieht alles ordnungsgemäß herrschaftlich aus.

Residenz von hinten
Hofgarten

In der Fußgängerzone begegnet man kaum noch Panflötenspielern – im Hofgarten habe ich Pan, den Flötenspieler gefunden.

Pan mit Flöte
Der amerikanische Retter im 2. Weltkrieg

Dass die Residenz in all ihrer Pracht heute noch erhalten ist, verdanken wir vor allem dem amerikanischen Kunstschutzoffizier John Davis Skilton. Er sorgte nach einem verheerenden Bombenangriff für Notdächer. Ich hatte zuvor noch nie davon gehört, dass es so etwas gab und ein wenig nachgeforscht. Skilton war Kunsthistoriker und Mitarbeiter der Nationalgalerie in Washington.

Die „Monuments, Fine Arts and Archives Section“ wurde 1943 gegründet, um die Kunstschätze Europas zu retten. Sie bargen tausende von Gemälden, Skulpturen, Gold und andere Kulturgüter. Der Film „Monuments Men“ von 2014 mit George Clooney basiert weitgehend auf Tatsachen.

John Davis Skilton
Der Monuments Man John Davis Skilton
Foto Kriegsschäden
Ein Bild der Zerstörung
Auf den Spuren einer sehr alten Erinnerung

Auf dem Weg nach Würzburg sah ich eine Abfahrt nach Mespelbrunn – und damit in meine sehr frühe Kindheit. Es kann sogar der erste Urlaub sein, den ich mit der Familie machte, ich war acht oder neun Jahre alt. Wir waren im Spessart und besuchten das Schloss Mespelbrunn. Für ein kleines Mädchen war ein echtes Schloss, dazu sogar noch ein Wasserschloss, natürlich das Größte überhaupt. Für meine Eltern lag der Reiz vielleicht eher darin, dass das Schloss Teil der Filmkulisse von „Das Wirtshaus im Spessart“ von 1958 war. Neben Lieselotte Pulver spielte in dem Film alles, was damals Rang und Namen im deutschen Filmgeschäft hatte.

Mespelbrunn

Bei einer Kindheitserinnerung erscheinen die Dinge ja oft größer, als sie tatsächlich waren. Beim Schloss Mespelbrunn war das definitiv nicht der Fall – es kam mir sogar noch größer vor und auf jeden Fall genauso zauberhaft wie in meiner Erinnerung!

Das Andenken an die REsidenz: Natürlich barock!

Im Touristen-Shop gab es viele niedliche Schwäne, niedliche Putten, niedliche Deckchen und vieles Niedliches mehr. Zu süß für mich, aber etwas Passendes sollte es doch sein. Also wurde ich zur Dame und griff zu einem Fächer und in feine Spitze gehüllte Seife.

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