19. Darmstadt Mathildenhöhe

Es gibt so viel Schönes zu entdecken, dass ich einige Seiten mit den Beschreibungen füllen könnte. Um Eure Geduld nicht zu sehr zu strapazieren habe ich mich auf die Dinge beschränkt, die mich besonders beeindruckt haben. Einblick in das Gesamtkunstwerk gibt es hier www.mathildenhöhe.de.

Das Gelände wurde um 1800 als Park gestaltet, 1899 wurde hier die Künstlerkolonie gegründet, die die Mathildenhöhe berühmt gemacht hat. Ihre Entstehung verdankt sie dem sehr fortschrittlich denkenden Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, dem letzten Großherzog von Hessen. Er wollte neue Lebensräume schaffen, die künstlerische Ansprüche mit Handwerkskunst verbinden. Er versammelte internationale Künstler auf der Mathildenhöhe, um diese Idee umzusetzen. Zwischen 1901 und 1914 gab es vier Bauausstellungen, die ebenso experimentelle wie funktionale Architektur zeigten, auch die Inneneinrichtungen waren innovativ.

Der Hochzeitsturm

Eine Hochzeit ist natürlich auch in unserer Zeit ein besonderes, hoffentlich einmaliges, Ereignis, an das man sich gerne erinnert. Wenn man das Internet nach Gästegeschenken durchstöbert, findet man Vorschläge für Süßigkeiten, gravierte Gläser und viele andere Kleinigkeiten.

Als Herzog zu Beginn des 20. Jahrhunderts dachte man etwas größer: zur Hochzeit des Großherzogs Ernst Ludwig und Prinzessin Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich im Jahr 1905 bekam Darmstadt einen Hochzeitsturm, der heute das Wahrzeichen der Stadt ist. Er wird aus nachvollziehbaren Gründen auch „Fünf-Finger-Turm“ genannt.

Schon der Eingangsbereich ist überwältigend mit seinen opulenten Deckenmosaiken. Natürlich dreht sich hier alles um das Thema Liebe. Ich hatte das Bedürfnis, mich eine Weile auf den Boden zu setzen, und nur diesen schönen Anblick aus blauem und goldenem Mosaik zu genießen. Damit wäre ich allerdings in dem kleinen Eingangsbereich zu einem ziemlichen Verkehrshindernis geworden…

Der Turm hat sieben Stockwerke, jedes in seiner Gestaltung einzigartig. Man kann auch mit einem Aufzug zu den einzelnen Etagen fahren aber wo bliebe da der Spaß, 209 Stufen hochzuklettern?

Im Hochzeitszimmer, das mit einem im Neo-Renaissance-Stil gemaltes Hochzeitsfest verziert ist, kann man heute heiraten. Die vergoldete Stuckdecke macht das Ambiente besonders festlich, wenn man es so richtig üppig mag.

Mein Lieblingsraum ist das Fürstenzimmer, seine Farben blau und orange sind einfach traumhaft schön.

Dass das Muster aus Eidechsen besteht, die sich zwischen Schneckenhäusern schlängeln wäre mir nicht bewusst geworden – dafür gibt es aber ja glücklicherweise Hinweisschilder. Was dieses Motiv zu bedeuten hat, wurde allerdings nicht erklärt, das wollte ich aber unbedingt wissen. Gefunden habe ich folgendes:

  • Die Schnecke ist in vielen Kulturen ein altes, heiliges Symbol für das Universum und die Schöpfung.
  • In der Kunst steht die Eidechse für Reichtum. Außerdem häutet sie sich, was einer Art Wiedergeburt gleichkommt und sie zu einem starken Symbol für Veränderung und Erneuerung macht.

Großherzog Ernst Ludwig – eine schillernde Persönlichkeit

Ernst Ludwig hatte eine illustre Verwandtschaft: Seine Großeltern waren die englischen Herrscher Queen Viktoria und Prinz Albert, eine seiner Schwestern heiratete den späteren russischen Zaren Nikolaus II. Die Ehe, die der Anlass für den Bau des Hochzeitsturmes war, ist allerdings die zweite des Großherzogs. Seine erste Ehe mit der sehr unkonventionellen Viktoria Melita von Edinburgh – einer Cousine – wurde, ungewöhnlich zu dieser Zeit, geschieden.

Nach dem Tod der gemeinsamen Tochter Elisabeth 1903 widmete sich Ernst Ludwig seinem Herzensprojekt: dem Aufbau der Darmstädter Künstlerkolonie. Durch seine Förderung wurde Darmstadt zum Zentrum des deutschen Jugendstils. Dem Großherzog wurden – auch von seiner Exfrau – Beziehungen zu Männern und Frauen nachgesagt, dennoch galt seine zweite Ehe mit Eleonore als sehr glücklich.

Russische Kapelle

Sie ist sicherlich das auffälligste Gebäude auf der Mathildenhöhe und sie war auch das erste auf dem Gelände. Ich konnte sie nicht von Innen sehen, da ich unpraktischerweise am Sonntag dort war und ein Gottesdienst stattfand. Da kann aber dieser Link helfen.

Auf der anderen Seite liegt zu Füßen der Kapelle das Lilienbecken, ein Wasserbecken mit dekorativen Kacheln auf dem Boden. Der Blick über das Wasser zur Kapelle ist einfach nur schön.

Auch für für den Bau der russischen Kapelle war eine Hochzeit der Grund und zwar eine wirklich hochkarätige: Die jüngste Schwester des Großherzogs Ernst Ludwig heiratete Nikolaus II., den letzten russischen Zaren. Das Paar errichtete die Kapelle, um bei ihren Besuchen der deutschen Verwandtschaft ihren Glauben in angemessener Umgebung praktizieren zu können. Und für das „angemessen“ trugen sie gründlich Sorge. Selbst die Erde, auf der sie steht, wurde eigens aus Russland nach Darmstadt gebracht. Es wurde auch ansonsten an nichts gespart – schließlich zahlte der Zar alle Kosten aus seinem Privatvermögen. So waren zahlreiche russische Künstler am Bau und der Ausstattung der Kirche beteiligt. Eigens von Villeroy und Boch gefertigte Kacheln, vergoldete Zwiebeltürme und reiche Ornamente zieren das Bauwerk.

Ganz zauberhaft ist übrigens das neue Glockenspiel, 2019 in Russland gefertigt. Die hübsche Melodie wird tatsächlich per Hand gespielt. Wie sich das anhört, habe ich in dem Video eingefangen.

Ausstellungen

Ausstellungsgebäude

Natürlich gibt es auch einige Ausstellungen auf der Mathildenhöhe. Im Ausstellungsgebäude wird bis zum 25. April eine Zeitreise durch 200 Jahre Kunstgeschichte in Darmstadt gezeigt. Besonders fasziniert haben mich zwei textile Wandbehänge, dramatisch in Szene gesetzt vor roten Wänden.

Schönes Detail schon beim Aufgang: Ein reich geschmückter Mosaik-Baldachin überspannt den ersten Treppenabsatz.

Museum Künstlerkolonie

Wie schön und kunstvoll auch Alltagsgegenstände sein können, kann man im Museum der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe erleben. Ein bisschen neidisch bin ich schon beim Betrachten der Gegenständen vom Heizkörper über Möbel bis zu Geschirr, die mit soviel Liebe zu künstlerischen Details gestaltet wurden.

Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass diese Artikel und auch die gezeigte Einrichtung nicht für jeden erschwinglich waren. Aber sie verdeutlichen sehr eindrucksvoll das Ziel der Kolonie, künstlerische Ästhetik und Alltagstauglichkeit zu verbinden.

Museumsshop

Museumsshop sind unwiderstehlich für mich, weil man dort Dinge findet, die es anderswo nicht gibt. Dekoratives Andenken an die Mathildenhöhe: ein Servietten-/Briefhalter im Jugendstil-Design.

Hinterlasse einen Kommentar